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65.     Kapitel

 

Wahrheiten

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„Nein, nein, nein und nochmals nein!“, fluchte John laut los. Es war der Samstagvormittag. Remus und Hannah waren am Vorabend Zuhause angekommen. Die Sommerferien hatten begonnen und Hannah hatte, auf Remus Aufforderung hin, vor ihren Adoptiveltern ihre Auszugspläne zu offenbaren.
Hannah warf die Haare in den Nacken und warf Remus einen bitterbösen Blick zu. „Hannah, ich lasse nicht zu, dass du jetzt mit diesem…Jungen zusammen ziehst! Du bist erst 15!“  „Fast 16!“, erwiderte Hannah wütend und funkelte ihren Adoptivvater sauer an.
„Hannah du bist noch ein halbes Kind, wir können dich nicht einfach ausziehen lassen, wie stellst du dir das überhaupt vor?“, versuchte John sie auf seine Art zu beruhigen, er war rot geworden und die vorwurfsvollen Blicke im Gesicht seiner Frau ignorierte er.

„Ganz, einfach! Sirius und ich suchen uns eine Bude und wohnen dort in den Ferien zusammen, was ist den daran bitte so kompliziert!“ seufzte Hannah und strich sich energisch die Haare aus dem Gesicht.
„Verdammt Hannah, wir können dich nicht mit 15 in irgendeine Bude stecken. Wo ihr beiden Chaoten den ganzen Tag nur…ich will es mit euren Worten sagen…Party machen würdet!“ „Und warum nicht?“, warf Hannah störrisch ein.
„Weil du erst 15 bist! Verdammt noch mal!“, donnerte John zurück. „In einer Woche bin ich 16 und dann würde es nur noch 1 Jahr dauern, bis ich volljährig wäre und ihr tut, als wäre das noch Jahrzehnte entfernt.“ „HANNAH! Wert jetzt nicht frech!“, unterbrach John ihre Argumentationen.
Remus, der auf dem Sofa saß, hielt sich inzwischen die Ohren zugehalten. Er wusste, dass es seinem Vater schwer fiel loszulassen. So war es schon gewesen, als Deleisha verkündet hatte, dass sie ausziehen würde.
Allerdings war sie zu diesem Zeitpunkt schon volljährig gewesen, sodass sein Dad nicht viel unternehmen konnte.

„John, beruhig dich. Wir sollten da vernünftig drüber reden!“, versuchte Mary derweilen ihren Mann zu besänftigen. Sanft legte sie ihm eine Hand auf die Schulter, doch John ließ sie offenbar nicht so einfach beruhigen, er drehte sich schnaubend zu seiner Frau um. Sein Gesicht war knallrot vor Wut. „Findest du das etwa richtig?“, fauchte er sie barsch an und Mary stolperte kurz zurück.
„Nein, das habe ich nicht gesagt, ich finde nur, dass du ein viel zu großes Drama daraus machst, John!“ Dieser stierte seine Frau fassungslos an.
„In diesen Zeiten, Mary? Er dessen Name nicht genannt werden darf ist da draußen und du weißt, dass er sich für Hannah interessiert!“, schrie John zurück.
Hannah ließ sich entrüstet auf dem Sofa neben Remus nieder. Bei der Erwähnung von Tom Riddle war sie kaum merklich zusammen gezuckt. Sie wusste, dass er nun im Volkmund „Er dessen Name nicht genannt werden darf“ oder „Du weißt schon wer“ genannt wurde, doch dass es selbst die Lupins taten, wunderte sie.
Und erst Sekunden später viel ihr auf, dass die Lupins wussten, dass er hinter ihr her war. Vielleicht hatte sie es mittlerweile als so selbstverständlich angesehen, dass es ihr schlicht und einfach nicht auffiel, wer darüber sprach.

„Ihr….“, begann Hannah zustammeln. „Ihr wisst…dass er?“, John wandte sich seiner Adoptivtochter zu, die Wut war aus seinem Gesicht verschwunden, als er ihre Unsicherheit sah und er betrachtete sie liebevoll.
Es schmerzte ihn seiner Brust das Voldemort hinter ihr her sein sollte und die Sorge um sie stieg, wenn er daran dachte, dass er sie nicht beschützen konnte, wenn sie nicht bei ihnen war, ebenso wie er Remus nicht hatte beschützen können, vor Greyback.
„Ja, wir wissen es, glaubst du Dumbledore würde uns im Unklaren lassen?“, fragte er nach. „Du bist doch unsere Tochter, Hannah!“, krächzte Mary hinter ihr hervor und Hannah traten die Tränen in die Augen, noch nie war sie sich bewusst gewesen wie dankbar sie den Lupins sein konnte.
Den Bruchteil einer Sekunde tauchte das Bild ihrer Mutter vor ihren Augen auf und sie lächelte. Ein Schauer der verschiedensten Gefühle durchfuhr sie und ließ sie erschaudern. Sie konnte nichts von alldem zuordnen, doch trotzdem lächelte sie ihren Adoptiveltern dankbar entgegen.

Remus hingegen war, während des ganzen Gespräches, immer blasser geworden. Was wollte er von Hannah und warum wusste er nichts davon.
„Feder, was?“, fragte er stammelnd in die undurchsichtige Stille hinein.
„Später, Moony, ich muss es euch allen erzählen, gemeinsam. Dir, Wurmschwanz, James und vielleicht Lily“, Remus nickte verständnisvoll, doch in ihm sah es verwirrter denn je aus. Hannah jedoch wandte sich wieder ihren Adoptiveltern zu.
„Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass ihr euch solche Sorgen um mich macht, aber ich kann schon ganz gut auf mich allein aufpassen und notfalls ist Sirius ja auch noch da! Bitte könnten wir nicht wenigstens mit Dumbledore darüber reden, was er davon hält oder wie man mich da vor ihm schützen könnte. Bitte!“
John seufzte auf und öffnete dem Mund um etwas zusagen, doch Mary war schneller. „Einverstanden, Hannah, wir reden mit ihm darüber, sobald er Zeit findet herzukommen!“, antwortete sie und warf ihrem Mann einen strengen Blick zu.
„Super!“, grinste Hannah ihre Adoptiveltern an. „Ich bin dann mal bei Sirius, wir wollen zum Gestüt der Potters, willst du mit Moony?“ Remus schüttelte den Kopf.
„Nein, fahrt ihr mal allein. Ich treffe mich nachher noch mit Peter, Yuko und Alice in der Winkelgasse!“, Hannah nickte und verschwand lachend.

Zeitgleich traten James und Lily in einer Gasse, die der Winkelgasse sehr ähnlich war, durch ein großes Portal auf dem es „Magic Disney-Land“ hieß und befanden sich so Sekunden später an einem völlig anderen Platz.
Riesige grüne Weiten voller Achterbahnen, Karusselle und den verschiedensten Aktivitäten waren zu sehen.
Und James führte Lily an die Eingangsportale wo sie bei einer recht verwirrt aussehenden, uniformierten Hexe ihre Tickets kauften.
„Hast du gehört? Sie wollen den Park in den nächsten Jahrzehnten wahrscheinlich so verändern, dass er auch für Muggel zugänglich ist?“, fing James an zu quatschen, während sie anfingen den Park zu durchstreifen.
„Ja, stand im Klitter, ich hätte nicht gedacht, dass du den liest!“ James grinste. „Ja, ein Quatschblatt ist es schon, aber irgendwo hat es was Sympathisches!“ erzählte er Lily, doch die hörte kaum noch zu, da sie in diesem Moment die erste Achterbahn entdeckt hatte.

„James!“
„Ja, Lils?“
„Ich will da nicht drauf!“, quengelte sie ihn einer Kleinkind ähnlichen Stimme.
„Ich weiß Lils, aber Höhenangst wird man nur los, wenn man sich damit konfrontiert!“, antworte er, hart aber zugleich auch einfühlsam. Er nahm ihr Hand und zog sie Richtung Eingang der Achterbahn.
„James, ich will nicht!“
„Keine Diskussion, wir müssen noch nicht einmal lange anstehen“, er deutete auf die Eingangsschlange, die verhältnismäßig kurz war „langes anstehen verschlimmert nämlich jede Angst, also ist das hier eine einmalige Gelegenheit, Lils!“ Lily seufzte, quengelte und versuchte sich loszureißen, doch alles half nichts. Kurze Zeit später, saß sie zusammen mit James in einem der Waggons.
James hatte darauf geachtet, dass er weder zu weit hinten, noch zu weit vorne lag und legte Lily den Gurt um. Sie war blass geworden und ihr rotes Haare hob genau dies besonders hervor. „Ganz ruhig, Lily. In 5 Minuten ist alles vorbei!“, versuchte James sie zu beruhigen, doch Lily war wie erstarrt.
Ihr Herz pochte wie wild, James beugte sich vor und sie starrte in seine wundervollen braunen Augen, die ihn ihr ein unglaubliches Gefühl auslösten.
Es war, als würde sie sich in ihnen verlieren. „Keine Angst, Lils! Ich bin bei dir!“, flüsterte er ihr zu und ein sympathisches Lächeln umspielte seine Lippen.

Lily schluckte, doch warf ihm zu gleich einen höchst dankbaren Blick zu.
Wenn ihr jemand vor knapp einem Monat erzählt hätte, dass sie nun mit James Potter in einer Achterbahn sitzen würde und über seine wundervollen Augen nachdenken würde, hätte sie denjenigen sicher verhext.
Doch hatte sie nicht auch schon damals etwas für ihn empfunden? Wenn sie es genauer bedacht hatte, hatte sie es schon lange. Vielleicht seid sie damals mit ihm, Alice und den Rumtreibern in einem Abteil gesessen hatten und James so eifrig darüber nachgedacht hatte, wie er Remus hätte schützen können.
Aber richtig bewusst war es ihr an Weinnachten geworden, als sie ihn mit dieser Französin gesehen hatte.

Der Wagen setzte sich in Bewegung und Lily hielt sie krampfhaft an ihrem Haltegurt fest. Das langsame Rattern der Waggons machte sie verrückt und langsam ging es aufwärts, immer steiler und steiler. Lily wagte es nicht nach unten zugucken, es war schon schlimm genug, dass sie auf die Schienen starrte, die bald eine Ende nehmen würden und ganz abrupt nach unten sausen würden.
Lily wurde immer blasser und ganz plötzlich spürte sie eine Hand auf der ihren. „James“ ging es ihr durch den Kopf und schon sah sie den Abgrund auf sich zurasen.
Sie hielt die Luft an und kniff die Augen verkrampft zu.
Ihr Magen überschlug sie und ein merkwürdiges Schwindelgefühl machte sich in ihr breit, ihr Körper wurde an die Sitzlehne gepresst und es ging auf und abwärts und plötzlich ganz plötzlich war es vorbei und Lily schnappte nach Luft.
„Vorbei, ich habe es geschafft!“, jubelte sie und kletterte leicht torkelnd aus der Bahn heraus. „Ich lebe, James!“, giggelte sie fröhlich und vollkommen unbeschwert.
James grinste. „Ich sage doch. Das ist gar nicht so schlimm! Wenn wir wieder in Hogwarts sind, muss ich dir unbedingt das Fliegen beibringen!“ Lily nickte „Von mir aus, aber auf diese Achterbahn bekommst du mich nicht noch einmal“, sie knuffte ihn leicht ihn die Seite und zog ihn an der Hand weiter.

„Ich will unbedingt ins Gruselkabinett!“, erklärte sie. „Glaubst du Gespenster und Monster können dir mehr Angst einjagen, als ein Rumtreiber?“, neckte James sie liebevoll. „Und wie! Das schafft selbst Peeves, den so schlimm seit ihr gar nicht!“, gab Lily lachend zurück und fing sich einen verblüfften Blick von James ein.
„Woher die plötzlich Erkenntnis, Ms. Evans?“ Lily zuckte lachend mit den Schulter und antworte nicht. Stattdessen zog sie James mit sich. „Dahinten müsste das Gruselkabinett sein. Ha, ich habe recht!“, johlte sie, als sie plötzlich vor einem alten, düsteren Haus standen. „Lass uns darein gehen, ja?“, James nickte und sie betraten das Haus und kletterten in die pferdelosen Kutschen, die sie offenbar durch das Haus fahren sollten. Sie nahmen neben einander Platz und los ging es.
Die Kutsche fuhr durch eine Art gespenstiges Land voller Dementoren und Todesfeen, jedes mal wenn eine der verschiedensten Gestalten vor ihnen aufgetaucht war, bekamen die beiden sich nicht mehr ein vor Lachen, doch gegen Ende huschte ein nachgestellter Werwolf auf die Fahrbahn, fletschte die Zähne und knurrte sie an.
Weder Lily noch James begannen zulachen beiden war zeitgleich derselbe Gedanke gekommen: „Remus!“

Schweigend erhoben sie sich und verließen das Gruselkabinett. Draußen angekommen herrschte eine unbändige, seltsame Stille zwischen ihnen.
„Du weißt es, oder!“, unterbrach James schließlich die verkrampfte Atmosphäre. Lily nickte zögernd. „Ja, ich weiß es!“ Auf eine merkwürdigerweise klang ihr Tonfall streng, jedenfalls löste er in James das Gefühl aus, sich rechtfertigen zu müssen.
„Lily, ich…wir…ich…wir mussten es tun! Verstehst du, selbst wenn wir dafür das Gesetzt gebrochen haben…“ „Was?“, Lily hatte sich blitzschnell umgedreht und blickte in James haselnussbraune Augen.
„Ihr habt was?“, James taumelte zurück und blickte sie verstört an „Ich dachte, du weißt…“ „Ich weiß, dass Remus ein Werwolf ist und das ihr zu ihm steht!“ James schluckte heftig. „Womit habt ihr das Gesetz gebrochen, James?“ Er schluckte erneut. Ihre Stimme klang zu einfühlsam, so ganz und gar nicht abwertend.

„Wir begleiten ihn bei Vollmond, Lils!“, begann James zu erklären. „Sirius, Peter, Hannah und ich!“ „Was? Aber…er ist gefährlich an Vollmond, er würde euch doch umbringen!“
„Ja, er ist gefährlich, aber nur für Menschen, Lils!“ Lilys Augen weiteten sich.
Sie hatte verstanden.